Soeben wurden die Fields – Medaillen für 2022 verliehen!
Die Bekanntgabe und Verleihung fand dieses Mal in kleinem Rahmen in Helsinki statt. Typisch lauter Mathematiker in einem Raum war das Ganze dann auch zwischendurch nett chaotisch – die vorbereiteten Videopräsentationen wollten erst einmal nicht starten, dann wollte der Computer gern ein Update haben etc. Auch an deutlichen Worten zum Krieg in der Ukraine wurde nicht gespart – seien wir ehrlich: Das wird Putin nicht interessieren, trotzdem ist ein klares Zeichen sehr gut!
Aber wer bekommt die Fields – Medaillen denn nun?

Hugo Duminil-Copin für „Lösung langjähriger Probleme in der probabilistischen Theorie der Phasenübergänge in der statistischen Physik, insbesondere in den Dimensionen drei und vier.“
Das klingt ziemlich abstrakt, aber tatsächlich kann man sich die Ideen hinter seiner Forschung recht gut vorstellen: Wenn man beispielsweise mit einer Gießkanne Wasser ausgießt, kann man für jeden einzelnen Tropfen nicht wirklich vorhersagen, wohin er spritzt. Wenn man sich das Ganze anschaut, kann man allerdings eindeutig sehen, dass alle Tropfen grob in eine Richtung gehen. In seiner Arbeit hat Hugo Duminil – Copin untersucht, wie man dieses Verhalten mit probabilistischen Methoden vorhersagen kann.
Eine sehr schöne Idee finde ich übrigens, dass er an seiner Universität erwirken konnte, dass im Park davor Tafeln aufgestellt wurden und man so auch draußen arbeiten kann.
Hugo Duminil – Copin wurde am 26. August 1985 in Frankreich geboren und ist Professor in Genf und in Bures-sur-Yvette (Frankreich).

June Huh für „die Übertragung der Ideen der Hodge-Theorie auf die Kombinatorik, den Beweis der Dowling-Wilson-Vermutung für geometrische Gitter, den Beweis der Heron-Rota-Welsh-Vermutung für Matroide, die Entwicklung der Theorie der Lorentzschen Polynome und den Beweis der starken Mason-Vermutung.“
Die Ideen von June Huh sind nicht ganz so einfach zu verstehen, letztlich hat er es geschafft, ein altes Problem durch das Anschauen durch „kombinatorische Augen“ zu lösen. Wieder einmal ein Beispiel dafür, dass man manchmal einen Schritt zurück treten muss und ein Problem mit anderen Bereichen kombinieren muss, um es letztlich lösen zu können. Ähnlich, wie beim Beweis des Großen Fermat’schen Satzes beispielsweise.
June Huh wurde 1983 in Kalifornien geboren, wuchs aber in Südkorea auf und ist inzwischen Professor in Princeton.

James Maynard für „Beiträge zur analytischen Zahlentheorie, die zu wichtigen Fortschritten beim Verständnis der Struktur von Primzahlen und bei der diophantischen Approximation geführt haben.“
In seinem persönlichen Vorstellungsvideo hat er sein Vorgehen wunderbar selbst beschrieben, deswegen bleibe ich bei seiner Beschreibung: Wenn James Maynard eine neue Szene sieht, beispielsweise eine Straße mit Menschen, Autos und ähnlichem, überfordert ihn das oft. Also versucht er, alles aus dem Bild zu ignorieren, was nicht fest ist, er konzentriert sich auf die Linien der Gebäude oder der Straße, alles das, was feste Struktur bringt. Genauso geht er auch in seiner Forschung vor: Er versucht, alles auszublenden, was überlagerndes Chaos ist, und sich auf die unterliegenden Strukturen zu konzentrieren. Mit diesem Vorgehen ist er sehr erfolgreich, vor allem rund um die Erforschung von Primzahlen hat er wichtige Fortschritte machen können und mit dieser will er auch Fortfahren.
James Maynard ist am 10. Juni 1987 in Großbritannien geboren und ist Professor am St. John’s College in Oxford.

Maryna Viazovska für „den Beweis, dass das E8-Gitter die dichteste Packung identischer Kugeln in 8 Dimensionen darstellt, und weitere Beiträge zu verwandten Extremproblemen und Interpolationsproblemen in der Fourier-Analyse.“
Das Problem der dichtesten Kugelpackung ist erstaunlich einfach zu erklären: Stellt euch vor, ihr habt eine Anzahl von gleichgroßen Kugeln. Wie kann man sie am besten Stapeln mit kleinstem Volumen? Oder konkret: Nimm 10 Orangen und packe sie in die kleinste, mögliche (bzgl. Volumen) Box. Die Antwort im dreidimensionalen Raum ist: Stapel sie in Form einer Pyramide! Mathematikerinnen hören hier aber nicht auf! Was passiert in größeren Dimensionen? Genau hierzu konnte Maryna Viazovska neue Antworten finden und beweisen!
Sie wurde am 2. November 1984 in Kiew geboren und ist seit 2018 Professorin an der ècole polytechnique fédérale in Lausanne. Sie ist erst die zweite Frau, der eine Fields-Medaille verliehen wird! Seit Kriegsbeginn konnte sie nicht besonders viel ihre Forschung vorantreiben, was ihr wohl niemand vorwerfen kann, aber immerhin konnte sie inzwischen zwei ihrer Schwestern und deren Kinder aus Kiew zu sich holen, ihre Eltern, ihre Großmutter und andere Verwandte und Freunde sind noch in der Ukraine.
P.S. Noch ein kurzer Hinweis: Bereits Anfang Januar wurde beschlossen, wer die diesjährigen Preisträgerinnen und -preisträger sein sollten. Schon in meinem gestrigen Artikel hatte ich extra geschrieben, dass das Vorgehen zur Bekanntgabe der Nobelpreise deutlich abweicht: Bei den Nobelpreisen tagt das Komitee, danach gehen sie direkt vor die Presse. Bei der Fields – Medaille tagt das Komitee Monate bevor wir anderen Menschen das Ergebnis erfahren. Also noch einmal ganz deutlich, für alle, die etwas interpretieren möchten: Ja, Maryna Viazovska ist Ukrainierin und nein, es wurde dieses Mal kein russischstämmiger Mensch ausgezeichnet. Beides hat nichts mit dem Krieg zu tun, sondern einzig mit der wissenschaftlichen Leistung!
Was haltet ihr von der diesjährigen Auswahl für die Fields – Medaillen – Preisträgerin und den – Preisträgern?
Übrigens: Es bleibt spannend, heute werden noch einige andere wichtige Preise vergeben!
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Quelle:
Fields Medal 2022, mathunion.org
IMU Award Ceremony 2022, YouTube Livestream
Ein Gedanke zu „Die Fields – Medaillen 2022 gehen an…“